Kaiserin und Reich – ein klingendes Begriffspaar, zugleich aber eine Terra incognita: Über die Kaiserinnen des Heiligen Römischen Reiches in der Zeit nach 1500, die gleichzeitig Königinnen von Ungarn und Böhmen waren, ist bislang so gut wie nichts bekannt. Kaiserinnen spielen bislang in der Forschung zur Habsburgermonarchie wie zum Heiligen Römischen Reich kaum eine Rolle. Wenn überhaupt, dann werden Namen des hohen Mittelalters genannt wie Theophanu, Agnes oder Kunigunde. Aber wer, außerhalb engster Forscherkreise, kennt schon Maria de Austria oder Eleonora Gonzaga?
Etwas anders ist der Befund sicher für Maria Theresia, und das gilt gerade für Österreich. Kein historischer Überblick kommt hier ohne sie aus, und auch in touristischer Hinsicht ist sie zumindest in Wien nahezu allgegenwärtig; überboten nur noch von einer anderen Frau: Kaiserin Elisabeth. So wie aber „Sissi“ eben als Kaiserin von Österreich präsent ist, so ist es auch bei Maria Theresia in erster Linie ihre Rolle als „Landesmutter“ innerhalb der Habsburgermonarchie, die erinnert wird, nicht ihre Position innerhalb des Heiligen Römischen Reiches. Darüber täuscht ihre Titulatur als „Kaiserin“ oft hinweg; nicht selten erscheint sie sogar mit dem Titel einer Kaiserin von Österreich, die sie nie gewesen ist.
Die Materialien, die hier gerade für die „unbekannten“ Habsburgerinnen vor Maria Theresia zur Verfügung gestellt werden, sind im Zusammenhang mit einem Forschungsprojekt entstanden. Es startete am 1. Dezember 2015 und endete Ende Mai 2020; gefördert wird es vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich (FWF).
Inhaltlich steht die Frage nach der zeremoniellen und herrschaftlichen Position der Kaiserin im Mittelpunkt. Dazu werden zum einen die Krönungen der Kaiserinnen im Reich untersucht – sechs der 15 Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit wurden in einer großen öffentlichen Zeremonie in Frankfurt am Main, Regensburg oder Augsburg gekrönt. Fast alle von ihnen erlebten außerdem Krönungen in Ungarn und Böhmen. Anhand der Vorbereitung und des zeremoniellen Ablaufs dieser Ereignisse wird untersucht, in welcher Weise sie und damit die Kaiserin selbst in die symbolische Kommunikation von Herrschaft einbezogen waren.
Anwesend waren bei den Krönungen zwar eine Vielzahl von Amtsträgern und Amtsträgerinnen, von adligen und fürstlichen Damen und Herren, aber auch von Männern und Frauen bürgerlicher Herkunft. Letztere konnten zumindest den Zügen zur Kirche und in die Kirche beiwohnen, hörten Salutschüsse und brachten wohl auch selbst Vivat-Rufe aus. In der Kirche, dem jeweiligen Ort der Krönung, waren dagegen nur ranghohe Herren und Damen zugelassen. Da jedoch alle Krönungen ein erhebliches mediales Interesse hervorriefen, wurde sie auch zu einem Medienereignis: In Flugschriften, Zeitungen, Einblattdrucken berichtete man über Ablauf und Ausstattung.
Kaiserinnen waren jedoch auch unabhängig von konkreten Ereignissen wie den Krönungen, aber auch Eheschließungen, Geburten und Todesfällen, und über gedruckte Medien hinaus Gegenstand von Darstellungen. Bildliche Darstellungen wie Münzen und Medaillen, Kupferstiche und Gemälde bilden deshalb einen zweiten Schwerpunkt des Projektes. Hier geht es darum, zunächst einmal in einer Art Bestandaufnahme danach zu fragen, welche Formen überhaupt auftraten sowie Darstellungskonventionen zu beschreiben.
Ein wesentliches Ziel des Projektes insgesamt ist es also, ausgehend von einer Bestandsaufnahme der Publizistik zur Kaiserin zwischen 1550 und 1740/45, erstmals genauer nach ihrer Rolle bei der symbolisch-rituellen Konstituierung des Alten Reiches wie innerhalb der Habsburgermonarchie zu fragen. Hierbei geht es sowohl um die Rekonstruktion des Ablaufs und des Umfelds der Krönung wie um deren Darstellung in geschriebenen, gedruckten, gemalten und geformten Medien.
Für beide Projektteile wurden und werden dazu Materialien gesammelt und geordnet, die nun hier einer interessierten Öffentlichkeit zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Wir hoffen, damit das Interesse an den frühneuzeitlichen Habsburgerinnen zu fördern und Hilfestellung für weiterführende Forschungen anzubieten.